Um halb sieben riß uns der Wecker aus dem Schlaf. Es war ein tiefer und erholsamer Schlaf gewesen. Ein Blick aus dem Fenster unseres Hotels verhieß schönes Wetter für heute. Wir fuhren mit dem Fahrstuhl hinauf zum Restaurant. Im Innenbereich war kein Tisch mehr frei, so dass wir uns hinaus auf die Dachterasse setzen mussten. Das war aber kein Problem, denn so hatten wir einen schönen Blick auf die Kathedrale, die direkt gegenüber des Hotels imposant emporstieg.
Während wir frühstückten, ertönte mit einem Mal militärische Blasmusik. Auf dem Zocalo erschien Militär und bewegte sich im strammen Marsch zur Fahnenstange. Ich sprintete zum Fahrstuhl und holte flugs unsere Kameras aus dem Zimmer. So bewaffnet kehrte ich zurück auf die Dachterasse und wir konnten noch die Zeremonie des Fahne hissens im Bild festhalten.
Bedauerlicherweise wehte nicht ein laues Lüftchen, so dass die Fahne am Ende der Zermonie herunterhing wie ein nasser Sack.
Nach dem Frühstück mussten wir noch unsere Koffer zu Ende packen und dann schnell hinunter zum Bus. Die anderen warteten sicher schon und wir wollten doch nicht zu spät kommen. Tatsächluch waren wir aber doch die ersten beim Bus. Kai begrüßte mich ganz stolz mit den Worten: Guten Morgen, Michael. Schade, dass ich der Matthias bin.
Während ich dafür sorgte, das unsere Taschen in den Bus geladen wurden, gingen Sibylle und Peter fort, um ein Fotogeschäft ausfindig zu machen und Peters Kamera untersuchen zu lassen. Als sie zurückkamen, hatte sich am Bus noch nicht viel bewegt. Kai erzählte nichs, aber irgendwie erfuhren wir durch seine Gespräche auf Spanisch mit dem Busfahrer, das er auf Gabriel wartete. Welche Rolle spielte eigentlich dieser Gabriel? Er war schon ein paar Mal aufgetaucht, er war uns als Fahrer vorgestellt worden. Doch gefahren hatte er bisher nur Anja und Alexander.
Tatsächlich war Gabriel dann aufgetaucht. Auch heute war seine Aufgabe, die beiden auf ihrem Individualprogramm zu begleiten.
20 Minuten vergingen, bis wir dann endlich losfahren konnten. Salvatore, der Busfahrer war ein sicherer Fahrer. Er lenkte den Bus geschickt durch die Straßen von Mexiko Stadt. Er hatte dies sicher nicht zum ersten Mal gemacht, ganz im Gegenzug zu Kai, von dem zumindest ich nicht überzeugt war, das er diese Art Reise schon oft begeitet hatte.
Salvatore lenkte den Wagen durch den Berufsverkehr und fuhr mit uns zur Anlage von Tenochtilan. Während wir in der Anlage Pyramiden sehen konnten, die zum Teil bereits rekonstruiert waren, versuchte Kai uns einiges über die Atzteken und Maya zu erklären. Mit einem Mal stehen wir am Fuße einer Ansammlung von Steinen und erfahren, das wir uns eigentlich im Innern der Tempelpyramide befanden. Dieses Areal wird auch als Platz der drei Kulturen bezeichnet. Hier fanden 1968 Studentenaufstände statt, die damit endeten, dass mehrere tausend protestierende Studenden erschossen und ihre Gebeine im Boden vergraben wurden.
Mittlerweile war es richtig warm geworden und wir versuchten, immer etwas Schatten am Fuß der Pyramide zu finden. Das war leider nicht so einfach.Aber immerhin mußten wir nicht einzelne Steine zusammensetzen und an ihren Platz bringen, wie die Archäologen, die wir auf der Anlage sahen.
Nach dem Besuch dieser Tempelanlage bestiegen wir wieder den Bus und fuhren zur Basilika der Jungfrau von Guadelupe. Hier gab es zwei Gebäude zu besichtigen.
Etwas erhöht auf einem großen Vorplatz steht die alte Basilika de Nuestra Senora de Guadelupe, die 1709 anstelle eines Schreins aus dem 16 Jahrhundert errichtet und mehrmals ausgebaut wurde. An dieser Basilika sieht man wieder sehr deutlich, wie schwammig der Untergrund unter Mexiko Stadt ist. Ein großer Teil der alten Basilika ist einfach nach Rechts abgekippt und hat sich von einem kleinen Teil gelöst. In der Mitte zwischen den beiden Teilen klafft ein großer Spalt von ca. 3 Metern.
Daneben steht die moderne Basilika, ein modernes Gotteshaus mit riesigen Dimensionen, die etwa 20.000 Personen Platz bieten soll.
Zunächst gehen wir aber über den Platz vor der neuen Basilika und betreten die Capella del Pocito, die Brunnenkapelle. In ihrem Innern sprudelt eine quelle aus dem Felsen, deren Wasser Heilkräfte zugeschrieben werden.
Dann ging es weiter den Hügel hinauf, zum Garten von Tepeyac. Von dort oben hatte man einen sehr guten Blick über die Anlage und auch über weite Teile von Mexiko Stadt. Über eine Steintreppe kamen wir dann schließlich wieder hinab auf den Platz der beiden Basilikas und statteten schließlich der modernen Variante einen Besuch ab. Im Innern der Basilika wurden wir wie auch hunderte gläubiger Mexikaner auf einem Rollband am Marienbild vorbeitransportiert. Das war schon eine ziemlich merkwürdige Angelegenheit.
Mittlerweile war es richtig warm geworden. Gerade jetzt mußten wir in den Bus steigen und uns auf die Fahrt nach Teotihuacan machen. Die Fahrt schien endlos zu sein. An Fotostops oder Pipi-Pausen wurde von Kai leider nicht gedacht. Erst auf unsere Frage, wann denn mal eine Pause drin sei, erfuhren wir, dass wir in einer halben Stunde an einer Art Verkaufsveranstaltung teilnehmen würden, die weder in unserem Programm stand und die er natürlich auch nicht gutheissen würde. Aber wir müßten das machen, da ja die Agentur das so wollte. Im Nachhinein habe ich mir gedacht, er hat das sehr gerne gemacht, denn Teil der Veranstaltung war die Verköstigung von Gratis-Tequila, und diesen würde Kai doch nicht ablehnen. Ganz interessant an diesem Stop war allerdings die Vorführung vor der Verköstigung, als wir nämlich auf Spanisch erklärt bekamen, was man alles aus der Agaven-Pflanze gewinnen konnte. Nicht nur Tequila, sondern auch Papier und Faden zum Nähen konnte man der Pflanze entlocken.
Aus der geplanten 5 Minuten Pause wurde wieder eine dreiviertelstunde! Zeit, die von unserer Besichtigung der Anlage Teotihuacan abging. Wahrscheinlich würde Kai irgendetwas ausfallen lassen. Wir waren überrascht als er im Bus auf dem Weg zum Mittagessen dann ankündigte, dass es heute spät werden würde, denn er wollte uns die ganze Anlage zeigen und nicht nur einen Teil. Er fragte, ob wir damit einverstanden wären. Natürlich waren wir das, wir sind hier ja nicht zum Spaß ;-)))
Danach fuhren wir durch den Osteingang in die Tempelanlage, die in den ersten 600 Jahren unserer Zeitrechnung die einflussreichste politische und religiöse Macht in Mittelamerika war. Wir hatten im Anthropologischen Museum in Mexiko Stadt bereits Bilder und Modelle der Anlage gesehen, die eine Fläche von rund 20 Quadratkilometern umfasst.
Zunächst führte Kai uns zur Pyramide des Quetzacoatl, die am südlichsten Ende der Straße der Toten erbaut worden war. Wir mussten dazu erst einmal eine aus alten Steinen errichtete Mauer herabsteigen und waren dann auf der Eben, auf der die Pyramiden aufgebaut waren. In der mittlerweile drückenden Sonne trotteten wir hinter Kai her und blieben vor der Pyramide des Quetzacoatl stehen. Kai begann uns die Geschichte der Anlage näherzubringen. Es ist sehr schade, dass er zwischendrin immer wieder erhebliche Wortfindungsprobleme hat und offensichtlich Dinge durcheinanderbringt.
Diese erste Pyramide zu besteigen war noch nicht so anstrengend. Auf der Plattform angekommen sahen wir einige Figuren im Mauerwerk.
Nachdem wir hier etwas verweilt hatten, kehrten wir zur Straße der Toten zurück und folgtem dem Weg zur Sonnen- und Mondpyramide.
Auf dem Plan sieht es so aus, als handelte es sich wirklich um eine Straße. Doch in Wirklichkeit muss man dies als eine gedachte Straße ansehen, einfach als eine linienförmige Anordnung der Tempelplätze und aufgereihten Pyramiden. Es ist längst noch nicht alles ausgegraben und erforscht. Das erfuhren wir, als Kai mit einem mal nach links abbog und zu einer Gruppe von Mexikanern ging, die im Schatten eines Baumes auf einer Steinmauer saßen. Er verhandelte etwas und kam dann zu uns zurück. Für 40 Pesos pro Person würden wir die – illegale – Gelegehenheit bekommen, aktuellste Ausgraben zu sehen. Natürlich stimmten wir alle dem zu und wurden dann schnell die Steintreppe unter das aufgespannte Zelt hinuntergeschickt. Niemand durfte mitbekommen, das wir hier waren.
Am Fuß der Treppe angekommen standen wir im Innern einer gerade neu entdeckten Pyramide. Vor uns war ein wenig erleuchteter Tunnel, durch den wir in das Innere der Pyramide geführt wurden.
Wir hatten gar nicht gemerkt, das auch ein Schamane mit uns hinabgestiegen war. Es gab zwei mystische Orte in der Pyramide, aus denen die Frauen der Gruppe mit Hilfe des Schamanen neue Kraft zugewiesen bekamen. Dann ging es weiter in einen anderen Raum und wir sahen die original erhaltenen Farbverzierungen des Mauerwerks.
Als wir wieder ans Tageslicht kamen, waren wir sehr froh, diese illegale Aktivität mitgemacht zu haben.
Weiter ging es auf der Straße der Toten zur großen Sonnenpyramide. Als wir am Fuss der Pyramide standen und die steilen Stufen erblickten, die hinaufführten, stockte uns schon ein wenig der Atem.
Hier war Vorsicht geboten beim Aufstieg, denn ein stolpern würde hart bestraft werden. Aber fast alle starteten den Aufstieg und kamen unter mehr oder weniger heftigem Schnaufen oben an. Aber kein Wunder, die ganze Anlage befindet sich schon auf 2281 Meter über dem Meeresspiegel, und die Sonnenpyramide war auch noch einmal knapp 70 Meter hoch. Von der Spitze der Pyramide hatten wir einen wunderbaren Blick über die ganze Anlage. Atemberaubend, wie weit wir sehen konnten. Und dass das Wetter auch noch mitspielte, war einfach unglaublich!
Es fiel uns sehr schwer, wieder abzusteigen und auf die Straße der Toten zurückzukehren. Doch als letzter Besuch stand noch die Mondpyramide auf dem Plan und wir wollten nichts verpassen.
Am nördlichsten Ende der Straße stand die deutlich kleinere Mondpyramide.
Auch diese erklommen wir, wieder unter leichtem Schnaufen. Die Stufen schienen hier noch größer zu sein. Ich konnte schon jetzt den Muskelkater spüren, den ich morgen in den Oberschenkeln haben würde.
Um kurz nach 5 wurden wir von der Pyramide geschmissen. Schade, denn diese Anlage war wirklich fantatstisch. Aber wir mussten weiterfahren. Es ging dann wieder in den Bus und wir machten uns auf den Weg nach Queretaro. Nach etwa 3 1/2 Stunden erreichten wir unser Hotel.
Das Hotel war zunächst eine mittlere Katastrophe. Die Zimmer waren sehr nett und sauber, aber auf der Straße vor dem Hotel fanden bei unserer Ankunft Bauarbeiten statt. Mit Preßlufthammer hockten da zwei Arbeiter und hauten die alten Steine aus dem Belag. Wir waren alle ziemlich kaputt und es war ja inzwischen auch schon 21 Uhr. Auf unsere Bitte, die Arbeite einzustellen, weil wir Ruhe wollten, hörten die Arbeiter kurz auf. Nach 10 Minuten ging es dann mit Hammer und Meißel weiter mit der Arbeit. Bis 23 Uhr wurde durchgearbeitet, dann Pause gemacht und irgendwann um 2 Uhr fingen sie wieder an. Doch wir waren irgendwann vor Erschöpfung eingeschlafen.