10.11.2010: Besuch in Bolivien

Heute geht es auf die Sonneninsel. Da wir bis dahin noch eine Strecke zu fahren haben, ist aufstehen um 5 Uhr 30 angesagt. Vor dem Frühstück müssen wir noch unser Handgepäck für die Insel packen. Andrea hat uns gebeten, nur ein kleines Gepäckstück mitzunehmen, denn auf der Sonneninsel müssen vom Bootsanleger bis zum Hotel 120 Höhenmeter überwunden werden, und man kann den Kofferträgern auf der Insel nicht zumuten, dass sie unsere schweren Koffer den Berg hinauf schleppen.

Um 7 Uhr brechen wir auf. Heute haben mehrere Mitreisende Probleme mit der Höhe. Einige haben Kopfschmerzen und Ilse möchte sogar etwas Sauerstoff haben. Nach einer kleinen Dosis Sauerstoff geht es ihr aber besser.

Andrea erzählt uns von der Legende des goldenen Stabes, die die Entstehungsgeschichte des peruanischen Volkes wiederspiegelt. Und wir erfahren natürlich so einiges über den Titicacasee, unser nächstes Ziel. Der Titicacasee ist ein Tropensee, seine Umgebung hat ein Tropenklima. In der Umgebung des Titicacasees ist es 3 Grad wärmer als an anderen Orten gleicher Höhe. Neben den geografischen Berichten erfahren wir aber auch immer etwas über das Leben der Menschen. Die gemeinhin als peruanische Kleidung bekannte Kleidung geht eigentlich auf die spanischen Eroberer zurück. Auch der berühmte Melonenhut ist von den Spaniern ins Land gebracht worden und war eigentlich für die Oberschicht gedacht, wurde aber von dieser nicht angenommen. Statt dessen hat die indigene Bevölkerung die Mode insbesondere die Hüte für sich entdeckt. Außerdem erfahren wir, dass früher die Art des Hut tragens etwas über den Familienstatus ausgesagt hat. Getragen werden diese Melonenhüte nur von den Frauen, die gerade, strenge Tragweise deutete früher darauf, dass eine Frau verheiratet war, die schräge, leicht kecke Tragweise besagte, dass eine Frau unverheiratet war. Auch die Zöpfe der Frauen deutete früher darauf, ob eine Frau verheiratet oder alleinstehend war.
Gedeckte Farben im Zopf bedeuteten verheiratet, bunte Farben besagten, dass die Frau noch nicht verheiratet war.

Benito bekommt das Mikrofon und hat uns heute etwas mitgebracht. Er hat eine ganze Menge typischer Anbauprodukte mitgebracht, die er uns einzeln vorführt und erklärt, wie bestimmte Dinge bearbeitet
werden. Wir lernen die Quima kennen, von der es 12 Sorten gibt, die an viele bekannte europäische Getreidesorten erinnern, etwa Gerste, Hafer, Roggen, Reis und anderes. Dann zeigt er uns die Occas, ein Gemüse, das wie eine Karotte schmeckt. Aus der Isanjo kann man Natureis machen, die Tunta ist eine gefrorene Kartoffel, die auf eine recht einfache Art konserviert wird und so viele Jahre hält und den Bauern als Voratsspeicher dient.

Aber auch auf dem Weg zur Sonneninsel gibt es einiges zu sehen. Unser erster Stop ist der Ort Pomata, hier besichtigen wir eine Kirche und erhalten wieder einen kleinen Eindruck in die wachstumsgeschichte Perus. Nach dem Halt geht es weiter mit dem Bus und Benito erzählt uns auf seine unnachahmliche blumige Art vom Landleben der Altiplano-Bewohner. Und Benito kennt hier wirklich keine Tabus, doch die Art und Weise wie er von dem Fortpflanzungsverhalten und dem daraus resultierenden Bedarf der Hebammen erzählt, ist einzigartig. Benito bringt das ganze so lustig und plastisch rüber, dass wir fortan nur noch von Chaka Chaka reden und ständig daran denken müssen, wie die Menschen auf dem Land zur Fortpflanzung einfach aufs Feld gehen, die 5 Röcke über den Kopf der Frau schlagen und dann zur Sache kommen. In Peru wird bei den Röcken der Frauen auch von den Matratzen gesprochen, denn es ist ja klar, dass so ein Akt auf dem Feld etwas unbequem sein kann, wenn man einen steinigen, sandigen Untergrund vorfindet. Da ist es doch ganz praktisch, dass die Frau das weiche Bett gleich mitliefern kann. Und wie Benito uns erzählte, halten die peruanischen Männer eh nur 3 bis 4 Minuten durch.
Aber dann kommen wir auch schon zur bolivianischen Grenze in Kasai und müssen uns von Benito verabschieden. Der Übergang nach Bolivien geht dann recht schnell vonstatten, die bolivianischen
Beamten sind auch sehr lustig und schnell, so dass wir rasch den Bus wechseln können und dann weiterfahren nach Copacabana. In Kasai ist Daniel an Bord gekommen, der aber schon sofort einen sehr
arroganten Eindruck macht. Er spricht zwar perfektes Deutsch, benimmt sich aber wie ein eingebildeter Italiener, der sich selber für den Mittelpunkt der Menschheit hält.

In Copacabana halten wir kurz und besichtigen eine Kirche. Hier werden wir Zeuge einer Prozession der Pfarrer, wir sehen hübsch zurecht gemachte Bolivianerinnen mit ihren schönen Melonenhüten.

Prozession bei der Basilika

Prozession bei der Basilika

Es wird Musik gemacht aus großen Blasinstrumenten, mit denen dann eine Gruppe von rund 100 Männern und Frauen vom Platz vor der Basilika durch die Straßen gezogen ist. Eigentlich haben Daniel und Andrea uns 20 Minuten Zeit gegeben, die Gegend um die Basilika herum zu erkunden, doch wir werden von den fröhlich feiernden Menschen magisch angezogen und folgen ihrem Zug vom Vorplatz der Basilika hinaus auf die Straßen, wo sich rasch eine große Menschentraube bildet, der wir uns fast als komplette Gruppe anschließen und dem Geschehen mit großen, faszinierten Augen folgen. Der Ort Copacabana ist, laut unserem Reiseführer Daniel, der zweit wichtigste Wallfahrtsort Lateinamerikas. Die Basilika Virgen de la Candelaria ist so bekannt und so wichtig, dass hier jedes
Wochenende hunderte blankgeputzte und mit Blumen verzierte Autos vor die Basilika fahren, um von dem Padre der Kirche getauft zu werden. Wohl gemerkt, die Autos werden hier getauft, nicht die Menschen!

Der Padre tauft die Autos mit dem Weihwasser, die Besitzer folgen ihm mit mitgebrachtem Bier. Dann wechseln wir doch noch etwas Geld, obwohl Andrea gestern noch gesagt hatte, wir könnten mit
peruanischen Sol bezahlen. Daniel führt uns etwas durch die Innenstadt vorbei an einigen Wechselstuben zu einem kleinen Geschäft. Wolfgang hat den Eindruck, dass dies eine Verwandte von
Daniel ist, die durch diese Geldwechsel Aktion etwas verdient und ihn daran beteiligt.
Mit ein paar Bolivianos in der Tasche steigen wir wieder in den Bus und lassen uns zu einem Waldstück fahren, wo wir zunächst unsere Lunchpakete in Empfang nehmen. Das Wetter ist wieder super,
wie schon die ganzen letzten Tage.
Wir starten die Wanderung nach Yamputa, dem Ort, von dem wir mit einem Boot zur Sonneninsel übersetzen werden. Es sollen 5 Kilometer sein, die vor uns liegen. Die Wanderung ist sehr schön, es geht an einigen Stellen ziemlich steil hinauf und wir kommen schon etwas in Atemnot, aber das kann auch an dem Blick auf den Titicacasee liegen, der sich uns nun immer wieder bietet. Hinter jeder Ecke lauert ein noch schöneres Panorama. Sibylle, Wolfgang, Ingrid, Monique, Patrick und ich bilden die meiste Zeit die Nachhut der Gruppe, wir verbringen viel Zeit mit fotografieren und filmen. Ganz
vorne zieht Daniel sein Tempo durch, wir erkennen ihn in der Ferne an seiner roten Jacke.

Lama

Lama

In Yamputa angekommen sind wir etwas angestrengt, aber nicht erschöpft. Wir freuen uns auf die Sonneninsel und gehen mit unserem Gepäck an Bord. Auch Franz Josef, der zusammen mit den restlichen Handgepäckstücken im Bus hinter uns hergefahren ist, weil sein hoher Blutdruck das wandern heute nicht zuließ, kommt nun mit uns an Bord. Wir saßen alle im Boot und warteten darauf, das es losging. Doch unser Bootsführer, ein kleiner schmächtiger Bolivianer, schaffte es nicht, den großen Außenborder anzuwerfen. Nach gut 20 fruchtlosen Versuchen entschied er sich dann doch für den kleinen Hilfsmotor und benutze den großen nur zum Lenken. Mit diesem Motor haben wir es dann geschafft, zur Sonneninsel überzusetzen. Auf der Überfahrt sehen wir auch zum ersten Mal die schneebedeckten bolivianischen Königskordillen, eine Bergkette von 6300m Höhe.

Königskordilliere von der Seeseite

Königskordilliere von der Seeseite

Auf der Insel angekommen schnappen wir uns unsere Rucksäcke und machen uns auf den nicht ganz leichten Weg, die 120 Höhenmeter zur Unterkunft. Franz Josef entscheidet für den Ritt auf einem Esel, was bei seinem Blutdruck sicher die bessere Wahl ist. Wir anderen folgen Daniel auf dem schmalen Weg oberhalb der Terrasse, gut 45 Minuten sind wir unterwegs, bis wir dann beim Hotel
ankommen.

 

Ankunft auf der Sonneninsel

Ankunft auf der Sonneninsel

Die Sonneninsel ist schon jetzt ein Highlight, die Aussicht auf den Titicacasee ist einfach traumhaft, das Wetter ist warm und sonnig und es ist hier sehr ruhig. Es gibt keine Autos
auf der Sonneninsel und nur ein paar Esel meckern vor sich hin.
Unser Hotel ist eine sehr idyllisch gelegene Anlage am Hang, mit vielen kleinen, individuell gestalteten Bungalows. Sibylle und ich haben 3 Betten in unserem Bungalow.
Beim Abendessen kann man schon feststellen, dass sich Gruppen gebildet haben. Sibylle und ich sitzen mit Monique und Patrick und Wolfgang und Ingrid zusammen. Wir sechs haben einfach die gleiche Art von Humor und können über viele Sachen sprechen. Der Abend ist sehr lustig und wir freuen uns schon auf morgen und auf die Wanderung über die Sonneninsel.

 

 

 

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