Wir werden heute einen Teil des Inkatrails erkunden, allerdings nicht den berühmten Teil, der zum Machu Picchu führt. Der ist genehmigungspflichtig und auf 400 Besucher pro Jahr beschränkt. Man muß sich lange im voraus für die 45 km lange Strecke registrieren lassen. Nein, wir besteigen einen anderen Weg und passieren in knapp 6 Stunden Wanderung den Pass.
Wecken ist heute um 5 Uhr 30. Als wir beim Frühstück sind erfahren wir von Pepe, dass Andrea heute krank ist und nicht mitkommen kann. Nun wird die ganze Verantwortung auf dem kleinen Pepe lasten, aber wir sind alle sicher, dass Pepe das meistern wird. Er ist ein netter Kerl und immer freundlich. Man merkt ihm auch an, dass er Spaß an seinem Beruf hat, genau wie Andrea. Wir sind ntürlich enttäuscht, dass sie nicht mitkommen kann, aber sie scheint gestern abend etwas falsches gegessen oder getrunken zu haben und hat sich die ganze Nacht übergeben. Da sie sowieso nur ein Strich in der Landschaft ist, wäre die heutige Anstrengung einfach zu viel für sie.
Nachdem die erste Enttäuschung über ihre Nichtteilnahme verschwunden ist, beäugen wir mißtrauisch das Wetter. Der Himmel ist stark bewölkt und es zeigt sich kein einziger blauer Fleck. Vorsichtshalber packen wir in unsere Rucksäcke das ganze Programm ein, also von kurzen Sachen bis zur Wind- und Regenkleidung! Heute ist der erste Tag wo ich damit rechne, alles mal zu nutzen.
Um 7 Uhr besteigen wir den Bus und verlassen Ollataytamba. Die Wolken hängen tief, sie kommen nicht über die Berge hinweg. Es ist deutlich kühler als die letzten Tage.
Während wir zu unserem Startpunkt fahren meint Patrick, dass es heute keinen Regen gibt. Ich denke mir, dass er sich da auskennt, immerhin hat man als Landwirt, das ist sein großes Hobby, meist sehr gute Kenntnisse über das Wetter. Und wirklich, kommt ab und zu ein bißchen Sonne durch die Wolken.
Gegen 8 Uhr passieren wir den Ort Chinchero. Nebel liegt über dem Ort. Hier steigen unsere beiden zusätzlichen Begleiter Jose und Magdalena ein. Magdalena ist eine Praktikantin, die Reiseführerin werden möchte und heute auch zum ersten Mal den Berg besteigen wird, genau wie wir.
Um 8 Uhr 33 starten wir zu unserer Wanderung kurz hinter Chinchero. Wir starten auf einer Höhe von 3861m. Nach wenigen Metern sind wir froh, dass es doch noch nicht so schönes Wetter ist, denn der steile Aufstieg ist unwahrscheinlich anstrengend. Wir bewegen uns nur im Schneckentempo und sind froh, noch ein paar Coca-Bonbons dabei zu haben. Bei einigen machen sich wieder Kopfschmerzen breit. Wir keuchen und das gehen fällt uns allen schwer. Zur Unterstützung haben wir noch eine einheimische Frau mit zwei Pferden dazu bekommen, für den Fall, das jemand nicht mehr in der Lage ist, weiterzuwandern. Nach wenigen Minuten nimmt Sonja diesen Service in Anspruch, aber sie legt nur ihren Rucksack ab und läßt ihn vom Pferd tragen.
Das Wetter ist heute wirklich schwer zu lesen, einerseits wird einem vom gehen warm und man möchte sich am liebsten ausziehen, aber dann kommen wieder Ecken, an denen der Wind unheimlich stark weht und wir holen die Windjacken aus dem Rucksack hervor. Einerseits tun die kleinen Pausen gut, andererseits ist es schwer, jedes Mal neu seinen Rhythmus zu finden.
Gegen 9 Uhr 55 machen wir eine Pause. Wir haben einen kleinen Pass erreicht, eine weite Fläche satten grüns. Es ist frisch, auf der anderen Seite des Passes sieht es dunkel und nach Regen aus. Pepe hat Angst, dass wir in den Regen kommen. Er mahnt bald wieder zum Aufbruch. Ein wenig gestärkt geht es dann wieder weiter, doch die nächste Strecke ist mörderisch! Es geht direkt sehr steil hinauf, wir können kaum noch gehen, die steilen Serpentinen verlangen uns alles ab. Stückchenweise wird der Weg auch wieder eben, aber nur, um kurz danach wieder anzusteigen. Die Momente der Ruhe sind eine echte Wohltat und wir sind heilfroh, als wir um 10 Uhr 54 endlich den Pass erreichen, in einer Höhe von 4444 Metern! Wolfgang teilt uns mit, dass wir einen besseren Wanderschnitt hatten, als noch vor ein paar Tagen im Colca Canyon mit Ute.
Die Luft hier oben ist so dünn, dass auch unsere Witze richtig dünn werden. Patrick verschwindet, um sich zu erleichtern. Wolfgang fragt mit einem Mal Monique, ob Patrick da ganz allein steht. Monique meint, “Nein, er steht mit Willi da”. Woraufhin Wolfgang denn meint, ob Willi auch wirklich stehen würde! Daraufhin brechen alle in ein herzhaftes Gelächter aus, was bei der dünnen Luft äußerst anstrengend ist.
Aber jetzt wo wir den Aufstieg absolviert haben, sind wir davon ausgegangen, dass jetzt der anstrengenste Teil der Wanderung erledigt ist, aber leider weit gefehlt.
Pepe mahnt bald wieder zum Aufbruch. Um 11 Uhr 13 beginnen wir dann mit dem Abstieg über die andere Seite des Passes. Es geht ebenso steil hinab wie vorhin noch hinauf, der Boden ist dazu noch sehr rutschig und voller Steine. Man muß sehr aufpassen, dass man auf dem schmalen Pfad nicht ausrutscht und den Abhang hinunter rutscht.
Der Weg nach Huchay Cusco, einer archäologischen Grabungsstätte antiker Inka Häuser, ist ebenso anstrengend und anspruchsvoll wie der Aufstieg. Besonders die letzten Meter geht es durch dichtes Gestrüpp und über ein ausgetrocknetes Flußbett hinweg, so dass man aufpassen muß, nicht auf den Steinen auszurutschen.
Um 12 Uhr 36 erreichen wir Huchay Cusco. Wir haben bis hierher bereits 10,2 km zurückgelegt, unsere aktuelle Höhe beträgt 3685m, wir sind 625 Meter hinauf und 835 Meter hinab gewandert, bei einem Schnitt von 2,2 km pro Stunde.
Die Anlage, in der wir unsere Mittagspause machen, wurde im 15 oder 16 Jahrhundert erbaut. Sie besteht fast ausschließlich aus Lehmziegelhäusern und diente wohl eher dem einfachen Volk als Unterkunft.
Unsere Mittagspause in dieser Anlage ist sehr luxoriös. Es ist extra ein Koch mit seinen Gehilfen aus unserem Hotel hinaufgekommen. Sie haben eine richtig anständige Mahlzeit zubereitet und hoch transportiert. Zu dem warmen Essen gibt es noch für jeden von uns Mandarinen und Äpfel, sowie ein kleines Süßigkeiten Carepaket. Inzwischen brennt die Sonne heiß auf uns herab und wir suchen den Schatten und machen eine kleine Siesta.
Gegen 14 Uhr 15 brechen wir wieder auf. Die Wiederaufnahme der Wanderung fällt uns schwer, die Beine wollen nicht so, wie wir wollen. Aber so langsam geht es wieder voran. Doch jetzt kommen wirklich schwere Stellen zu wandern. Wir müssen den Berg hinab und zwar in engen Serpentinen, die aus äußerst rutschigem Lehmboden bestehen, der vermengt ist mit kleinen und größeren Steinen. Hier kann man sehr leicht ausrutschen und wenn man erst einmal rutsch und über den Abhang fällt, wird es schwer, sich irgendwo festzuhalten. Vorsicht ist also angesagt.
Inzwischen sind wir alle geübt und aufmerksam und trotz der Hitze bewältigen wir den Abstieg in knapp 75 Minuten. Um 15 Uhr 35 erreichen wir den Bus. Bis zu diesem Zeitpunkt haben wir 13,41 km zurückgelegt, sind 645 Meter hinauf und 1515 Meter hinab gewandert. Jetzt befinden wir uns wieder auf 2965 Metern. Wir alle sind kaputt, aber glücklich. Es war eine richtig schöne, aber auch sehr anstrengende Wanderung. Alles in uns schreit nach einer Dusche und einem heißen Kaffee oder Tee! Aber an erster Stelle steht die Dusche.
Leider geht es nicht allen so. Sibylle ist nach der Wanderung und der Dusche so erschöpft, dass sie eigentlich keine Lust hat, mit zum Abendessen zu kommen. Sie kommt dann nach einigem gutem Zureden aber doch mit in den Speisesaal. Die Gesichter hier zeugen allen von den Anstrengungen des Tages. Einzig Pepe, unser Peruaner, scheint von der Wanderung nicht sonderlich angestrengt zu sein.
Sibylle und Patrick hat es an unserem 6er Tisch am schlimmsten erwischt, sie haben absolut keinen Hunger. Patrick verschwindet ins Zimmer, noch bevor das Essen kommt, Sibylle versucht wenigstens noch von der Vorspeise zu essen, aber schon der Gedanke an Essen verursacht ihr Übelkeit. Nach wenigen Minuten geht auch sie aufs Zimmer und wir bleiben zu viert zurück.
Als ich wenige Zeit später zurück aufs Zimmer komme, geht es Sibylle wirklich nicht gut. Sie hat weder Hunger noch Durst. Die Erschöpfung nach der Wanderung ist doch stärker als vorher gedacht. Andrea erkundigt sich am Telefon, wie es Sibylle geht, anscheinend hat sie von Pepe erfahren, was los ist. Andrea bietet uns an, einen Arzt zu rufen, aber wir sind überzeugt, dass es morgen früh besser sein wird.