Der Wecker klingelt uns um 6 aus dem Bett und wir sind schnell dabei, uns zu waschen und unsere Koffer zu packen. Wir beeilen uns. denn wir sind ja mit Anke und Dieter zum Frühstück verabredet. Ich öffne die Gardine unseres Zimmers und wir staunen nicht schlecht, als wir Dieter auf der Terrasse des Innenhofs sitzen sehen. Leider erfahren wir von ihm, dass die letzte Nacht nicht wirklich erholsam war.
Anke geht es hundeelend, sie hat mehr Zeit auf der Toilette als im Bett verbracht. Dementsprechend schlecht hat auch Dieter geschlafen. Leider sind dadurch unsere Pläne für den Tag erstmal abgeblasen, denn Anke ist nicht in der Lage, mit nach Pisak zu kommen, dafür ist sie zu schwach. Es sieht leider so schlecht aus, dass Dieter sogar überlegt, mit Anke einen Tag später von Cuzco nach Lima zu fliegen, damit Anke sich noch einen Tag länger in Cuzco ausruhen kann. Aber wir wollen erst einmal abwarten, gegebenenfalls wird nachher noch ein Arzt geholt.
Sibylle und ich beschließen, uns noch einmal die Stadt Cuzco anzuschauen. Wir wollen die Morgensonne nutzen, um die Mauer bei dem 12-Ecken Stein im richtigen Licht zu fotografieren. Also packen wir unseren Tagesrucksack und machen uns auf den Weg durch die engen Gassen Cuzcos, immer wieder darauf Acht gebend, nicht von den ständig heranfahrenden Taxen in diesen Gassen überfahren zu werden. Mittlerweile kennen wir das aber und weichen dann immer wieder auf den schmalen Fußgängerstreifen aus. Über den Kirchplatz von San Blas biegen wir wieder in die Cuesta San Blas und gehen die steilen Stufen hinab, bis wir zur Abzweigung unseres 12-Ecken Steins kommen. Wir sind noch ganz allein in der Gasse, zwei Straßenhändler versuchen uns in ihre Geschäfte zu locken, doch wir bedanken uns freundlich mit “No, Gracias” und gehen weiter zu der Ecke, wo Sibylle ein paar Fotos machen kann.
Anschließend gehen wir weiter zur Plaza de Armas und setzen uns dort auf eine Bank am Rande des Platzes, wo wir alles gut im Blick haben. Wir lassen die Seele baumeln und verabschieden uns auf unsere Art von dieser schönen Stadt, die einfach ein schönes Flair hat.
Nach ein paar Minuten beobachten wir, dass rings um den Plaza de Armas etwas vor sich geht. Bei der Kathedrale, die sich in unserem Rücken befand, waren ein paar Stühle unter einem Baldachin aufgebaut. Auf dem ganzen Platz liefen sehr viele Polizisten herum. Zu unsere linken Seite gegenüber der Kirche kamen Dutzende von Nonnen in weißer Kleidung zusammen. Sie blieben am Rande der Plaza de Armas stehen und warteten offenbar auf etwas.
Wir warteten eine ganze Zeit und hofften, dass etwas passiert. Aber es passierte nichts. Da wir gegen 10 Uhr im Hotel zurück sein mußten, um das Zimmer frei zu machen, hatten wir leider nicht ewig Zeit und mußten wieder aufbrechen. Wir gingen über die Plaza und auf den zweiten Park zu. Viele Geschäfte hatten noch nicht auf, aber wir konnten schon beobachten, dass sich der Hauptplatz weiter füllte.
Ein Militärlastwagen hielt am Straßenrand und ein ganzes Batallion uniformierter Soldaten sprang vom Laster herab und ging in Stellung. Sie waren komplett bewaffnet und brachten sich in Reih und Glied. Wir wollten sie fotografieren, trauten uns aber nicht.
Mit einem Mal konnten wir dann Musik hören und eilten eine Seitengasse hinab. Gerade sahen wir noch, wie eine Gruppe gleichgekleideter Männer um die Ecke bog und sich unserem Blickfeld entzog. Am Ende der Gruppe sahen wir Sonja in ihren knalligen Farben, wie sie gemütlich der Gruppe hinterher ging.
Die Zeit wurde langsam knapp und wir machten uns auf den Weg zurück zum Hotel. Die Plaza füllte sich langsam und wir kosteten die Zeit bis zur letzten Minute aus.
Zurück im Hotel trafen wir Dieter. Anke ging es immer noch nicht gut, ein Arzt war schon da und wollte Anke am liebsten ins Krankenhaus bringen, um ihr eine Infusion zu geben. Aber dazu kam es nicht, Anke bekam eine Spritze gegen die Übelkeit und für die Stabilisierung des Kreislaufs, sie wurde sozusagen flugfertig gemacht.
Sibylle und ich setzten uns in den Innenhof und genossen das schöne Wetter. Ich nutzte die Zeit, um das Tagebuch auf einen aktuellen Stand zu bringen.
Dieter kam dazu und wir erfuhren, dass Anke das Zimmer noch bis 13 Uhr haben kann, um sich auszuruhen. Das war schon eine sehr großzügige Geste des Hotels. Gegen 12 Uhr sind wir dann ins Pacha Papa gegangen, um eine Kleinigkeit zu Mittag zu essen. Wir waren die einzigen Gäste dort, aber von Dieter erfuhren wir, das die Peruaner üblicherweise erst später essen.
Um 13 Uhr sind wir zurück ins Hotel gegangen und haben dort noch ein paar Minuten gemeinsam verbracht. Als Anke vom Zimmer herunterkam sah sie wirklich nicht gut aus, sie war total blass und bewegte sich ganz langsam, sehr vorsichtig. Wo war ihr Kreislauf?
Jorge, der Angestellte der Agentur, die mit Studiosus zusammenarbeitete und uns zum Flughafen bringen würde, war schon in der Lobby und wartete auf uns. Wir gingen hinauf und beluden das Großraumtaxi, dann ging es zum Flughafen.
Für einen Sonntag war erstaunlich viel Verkehr. Aber wir waren in kurzer Zeit am Flughafen angekommen. Jorge begleitete uns ins Flughafengebäude und wartete, bis wir alles geklärt hatten. An der Gepäckaufgabe wurden wir gefragt, ob wir nicht einen früheren Flug nach Lima nehmen wollen. Wir waren zwar verwundert, sagten aber dankbar zu. Wir bekamen sogar vier zusammenhängende Plätze in der ersten Reihe. Für Dieter war das ideal, da er ja so lange Beine hat.
Von der Gepäckaufgabe an ging es sehr schnell. Wir mußten kaum warten und saßen innerhalb von ein paar Minuten im Flugzeug. Von der Ankunft am Flughafen bis zum Start der Maschine waren nicht einmal 45 Minuten vergangen.
Der Flug über die Anden war teilweise sehr schön. Leider durchflogen wir immer wieder dichte Wolkenfelder, aber die ein oder andere Bergkette konnten wir doch entdecken. Dabei fiel uns auf, dass der Grund und Boden dort unten sehr trocken zu sein schien. Wir entdeckten viele ausgetrocknete Flußbette zwischen den Bergen, die anscheinend landwirtschaftlich genutzt wurden.
Dieter erfuhr von seinen Sitznachbarn, dass der Flughafen Cuzco eine Schlechtwetterfront erwartete und der letzte Flug nach Lima, unser ursprünglicher Flug, gestrichen werden sollte. Darum hatte man uns einen früheren Flug angeboten!
Nach etwas über einer Stunde Flugzeit kamen wir in Lima an. Es war sehr diesig und warm. Mit einem Großraumtaxi sind wir dann durch die Innenstadt nach Miraflores gefahren, direkt zu dem Haus von Dieters Vater. Anke hat den Flug gut überstanden, sie machte bereits im Taxi wieder einen besseren und gesünderen Eindruck, als noch heute morgen in Cuzco.
Als wir in Miraflores ankamen, war Dieters Vater nicht da. Also packten wir erstmal unsere Koffer auf die Zimmer und gingen dann einkaufen, zu WONG. Ich hatte mir unter dem Chinesen WONG einen kleinen Eckladen vorgestellt. Aber eigentlich hätte ich es besser wissen müssen, denn in einer 9-Millionen Stadt wie Lima wird ein Chinese wir WONG sicher andere Dimensionen haben. Und so entpuppte sich WONG denn auch als eine Art WallMart! Ein riesiger Gebäudekomplex, in dem bei uns in Deutschland viele Geschäfte untergebracht wären. Als wir den Laden betraten wurde uns schlecht. Hier war schon alles weihnachtlich dekoriert und es erklang “Stille Nacht” aus den Lautsprechern. Als wir unseren Einkauf begangen und durch die einzelnen Gänge liefen, kamen Sibylle und ich uns vor wie ein Ostdeutscher, der ‘89 das erste Mal in einem Supermarkt in Westdeutschland einkaufen ging. Es war die totale Reizüberflutung! Die Auswahl an Produkten war einfach gigantisch, wir kamen uns vor wie in einem nordamerikanischen Supermarkt. Die Früchte hatten ganz andere Dimensionen, alles war größer und sah viel frischer aus, als in Deutschland. Überall lief auch viel Personal rum, die einem diverse Produkte zum probieren angeboten haben. Das Personal war allerdings meist von den einzelnen Herstellern, die auch für das auffüllen der Regale zuständig waren.
Nachdem wir unsere Sachen fürs morgige Frühstück eingekauft hatten ging es zurück zu Dieters Vater. Dort trafen wir auf die drei Katzen des Hauses und ihren Hausherren. Wir wurden sehr nett begrüßt und über die Katzenregeln aufgeklärt, denn es stellte sich heraus, dass nicht jede Katze mit jeder gut klarkam, also war es wichtig, dass immer ein paar Türen geschlossen waren.
Gemeinsam aßen wir dann zu Abend und klönten nett. Aber alt wurden wir nicht und suchten um halb 10 die Zimmer auf. Wir schliefen sofort ein.