Wir hatten eine angenehme Nacht im Hotel The Palazzo. Das Hotel, das hatte ich gestern vergessen zu erwähnen, verbirgt sich hinter hohen Mauern und beherbergt eine kleine Stadt und einen angeschlossenen Vogelpark, der allerdings immer schon um 17 Uhr schließt. Bisher konnten wir ihm noch keinen Besuch abstatten und morgen verlassen wir Johannesburg auch schon.
Aber heute stand erstmal der Besuch von Johannesburg auf dem Programm. Zuvor haben wir uns aber erst beim Frühstücksbuffett gestärkt. Das Büffett war reichhaltig und abwechslungsreich, wenn auch sehr europäisch gehalten. Es gab nahezu alles, was man auch in einem guten Hotel in Deutschland finden würde, mit Ausnahme von Schwarzbrot, das gab es nicht.
Nach dem Frühstück verließen wir pünktlich um 8 Uhr 30 das Hotel und ließen uns von Billy, dem Busfahrer, nach Johannesburg fahren. Auf der Autobahn, einer gut ausgebauten 4-5 spurigen modernen
Autostraße, fuhren wir vorbei an Feldern und Hügeln, an deren Hängen wieder eingezäunte Häusersiedlungen zu sehen waren. Am Straßenrand sahen wir Verbotsschilder, auf denen nur die Buchstaben S oder P zu sehen waren. Angelika, unsere Reiseleiterin, erklärte uns, dass das Schild mit dem S bedeutet, dass Autos hier nicht stoppen dürfen, und das P steht für ein generelles Parkverbot. Das S findet man häufig in Zusammenhang mit einem Verbotsschild für die Straßenhändler, die ihre Stände am Straßenrand aufbauen und an die im Stau stehenden Autos verkaufen wollen.
Unser Weg führt uns auf der Autobahn M1 nach Johannesburg. Angelika erzählt uns während der etwa halbstündigen Fahrt, dass Johannisburg in etwa die gleiche Regenmenge pro Jahr hat, wie London. Das liegt einfach daran, dass der Regen in London zwar regelmäßiger, aber dafür feiner ist. In Johannesburg regnet es nicht oft, aber wenn es regnet, kommen heftige Sturzbäche herunter.
Je näher wir der Stadt kommen, desto mehr scheint Angelika zu erzählen. Sie berichtet von den Anfängen des Goldrausch in Südafrika und erzählt von einem Meteroriten, der einst auf die Erde gefallen ist und dort so einen heftigen Aufprall hatte, dass er einen riesigen Krater erzeugt hat und die Gesteinsschichten durcheinander gewürfelt hatte. Dadurch sind die tieferen, goldführenden Schichten nach oben gedrückt worden und haben das ursprünglich in 12km Tiefe lagernde Gold an die Oberfläche gebracht.
Wir fahren immer wieder an eingezäunten Wohngebieten vorbei und erfahren, dass Sicherheitsfirmen ein boomendes Geschäft in Südafrika sind. In den Außenbezirken der Stadt fahren wir zunächst durch eine sehr reiche Gegend, in der viele noble Häuser verborgen hinter großen Mauern und Stacheldrahtzäunen stehen. Dies ist die Elbchaussee Johannesburgs. Wir fuhren auch an dem Haus von Nelson Mandela vorbei, in dem er noch vor ein paar Monaten gelebt hatte. Angelika erklärt uns, dass all die Bäume, die man hier so links und rechts an der Straße sieht, nicht südafrikanischen Ursprungs sind. Es gibt wenige einheimische Baumarten hier. Die meisten wurden aus anderen Regionen eingeführt.
Direkt an die Elbchaussee fügt sich der Vorort Hillbrow an, ein Slumviertel Johannesburgs, in dem Drogen und Alkohol sehr große Probleme verursachen. Man bezeichnet diesen Ort auch als Klein
Deutschland.
Dann erreichen wir die Innenstadt. In den Straßen wuseln die Schwarzen, am auffälligsten ist ihre bunte Kleidung und die aufwendig gestalteten Frisuren. Viele tragen Pudelmützen, besonders die Männer. Wir halten in der Nähe der alten De Beer Firmenzentrale, des weltgrößten Diamantenlieferanten. Das Gebäude selber ist wie ein riesiger Diamant gestaltet, wird aber heute nicht mehr als Zentrale genutzt.
Inzwischen ist de Beer nach London gezogen und hat in Südafrika keine Niederlassung mehr. Ein paar Meter entfernt besuchen wir das Geschäft eines Medizinmannes, in dem man allerlei Kräuter und Beschwörungsutensilien kaufen kann, sowie Waffen und mittlerweile auch Souvenirs. Angelika hatte uns gewarnt, dass der Geruch etwas eigentümlich und streng ist, aber wir haben keine Probleme und empfinden es nicht so schlimm.
Der nächste Stop ist das Apartheid Museum. Wir werden per Zufallsgenerator in Schwarz und Weiß geteilt und gehen durch getrennte Eingänge ins Museum und erfahren auf diese Weise direkt, was es heißt, nach Hautfarbe getrennt zu sein. Die Apartheid existiert seit 1880, seit den Burenkriegen.
Im Museum sehen wir die teilweise sehr schonungslos fotographierten Zeitepisoden, hören authentische Berichte im Fernsehen und bekommen auf diese Weise einen sehr tiefgehenden Eindruck, wie es damals gewesen sein muß, als die Apartheid allgegenwärtig war. Es gab getrennte Bänke für Weiße und Schwarze, getrennte Eingänge in Geschäfte und getrennte Kassen. Die Weißen wurden überall bevorzugt behandelt, die Schwarzen hatten das Nachsehen. Sie bekamen den sogenannten DOM Pass, ein Dokument, in dem ihre Stammeszugehörigkeit und ihre Arbeitshistorie festgehalten wurde. Diesen Pass mußten sie immer mit sich führen und auf Verlangen der Polizei vorzeigen können.
Besonders interessant und bewegend ist ein etwa fünfzehn minütiger Film, der in schonungslosen Bilder und Interviewsequenzen dokumentiert, wie es in den 70er und 80er Jahren in Südafrika mit der Hochzeit und dem Ende der Apartheit gewesen ist. Während wir die Bilder sehen, können wir immer mal wieder emotionales Murmeln hören. Die schwarzen Frauen und Männer, die mit uns in dem kleinen
Filmsaal sitzen, sind sehr bewegt von den Bildern, die einen Teil ihrer eigenen Geschichte dokumentieren.
Nach dem sehr emotionalen Besuch im Museum geht es weiter nach Soweto. Der Name ist eine Abkürzung und bedeutet South Western Township. Ein Township ist nichts anderes als eine Vorstadt, im
englischen ist der Begriff normalerweise synonym zum Wort Suburb zu benutzen. Doch in Südafrika wird damit die Vorstadt für Schwarze benannt.
Der Anblick von Soweto ist nicht so, wie wir uns das vorgestellt hatten. Statt der unzähligen Wellblechhütten armer Menschen sehen wir viele Steinhäuser und erfahren schnell, dass es hier natürlich auch längst eine Mittel- und Oberschicht gibt, das es eben auch viele Neureiche Schwarzafrikaner gibt, die hier in Soweto leben. Winnie Mandela, die 2 Frau von Nelson Mandela lebt auch noch hier.
Gegen 13 Uhr 30 geht es zu Robby Place, ein privat geführtes Restaurant, in dem wir Shakalaka und verschiedene andere afrikanische Dinge probieren. Es ist alles sehr lecker und wir hoffen, noch oft afrikanisches Essen probieren zu können.
Dann geht es quasi ins Herz Sowetos, in eines der Townships. Auf dem Weg dorthin fahren wir am Fußballstadion vorbei, in dem das Eröfnnungsspiel der Fußballweltmeisterschaft stattgefunden hat.
Dann führt uns Angelika zu einem Jugendprojekt, dem Kliptown Projekt. Von zwei Vertretern des Projektes, selbst gerade dem Kindesalter entwachsen, werden wir in das Township geführt und sehen nun zum ersten Mal aus nächster Nähe die Wellblechhütten und die ärmsten Bewohner Südafrikas.
Das Township Kliptown wurde 1903 gegründet. Es ist ein Projekt für die Kinder und Jugendlichen des Townships, wo sie mit Essen versorgt werden und Betreuung bekommen, es gibt Computerkurse und Sprachkurse. Viele Kinder bekommen hier die Versorgung, die ihre Eltern ihnen nicht geben können, weil sie vielleicht Alkoholiker oder Drogenabhängige sind. Man müßte denken, dass dies die Menschen depressiv macht und die Kinder vielleicht aggressiv und wütend herumlaufen, aber das Gegenteil ist der Fall. Uns schlägt überall Freundlichkeit und Herzlichkeit entgegen, selbst die Kleinsten winken uns freundlich, manche etwas schüchtern, zu und haben nichts dagegen, fotografiert zu werden. Gerade die Kinder wollen fotografiert werden.
Am Ende des Besuchs ins Kliptown bekommen wir noch eine wunderschöne Gumboots Vorführung geboten, die uns fast von den Sitzen reißt.
Es ist herrlich, mit welcher Lebensfreude die Kinder bei der Sache sind und was für eine Energie in diesen kleinen schwarzen Menschen steckt. Von den Lebensumständen und der Armut ist jetzt wenig zu spüren. Wenn die Kinder tanzen und lachen und singen spürt man nicht, dass sie sich Tag für Tag einen der 15 Wasserhähne mit 44000 anderen Bewohnern teilen müssen, dass rund 70% der Südafrikaner arbeitslos sind und das es nur ein paar chemische Toiletten für alle gibt.
Als wir das Jugendprojekt verlassen wollen, kommt ein kleines schwarzes Mädchen zu Sibylle und ergreift ihre Hand. Sie will unbedingt, dass Sibylle mit ihr zum Spielplatz kommt. Sie scheint einen regelrechten Narren an ihr gefressen zu haben. Doch was sollen wir tun, wir müssen leider los und wissen nicht, wie wir uns von ihr trennen können. Es tut uns leid, dass das kleine Mädchen nun traurig ist, aber wir müssen wirklich weiter. Also bitten wir Angelika um Hilfe, damit jemand kommt, um sich des Mädchens anzunehmen. Doch die Kleine will nicht fort, sie will bei Sibylle bleiben und klammert sich fest an ihre Hand und versucht sie zum Spielplatz zu ziehen. Doch dann kommt eines der Mädchen, die wir bei der Gumboots Vorstellung gesehen haben, und nimmt sich des kleinen Mädchens an.
Sie weint und schlägt um sich, als sie von Sibylle weggezogen wird, doch es muß leider sein, denn wir haben noch ein bißchen vor uns.
Nach dem Kliptown Township fahren wir noch ein bißchen durch Soweto, vorbei am Mandela House und am House von Desmond Tutu.
Dann geht es in Hotel zurück. Wir machen uns kurz frisch und gehen dann ins Casino, wo wir uns ein Restaurant suchen. Nach dem Abendessen gehen wir noch ins Palazzo und nehmen dort einen letzten Wein vor dem Schlafen gehen und besprechen die Ausflüge der nächsten Tage. Während wir dort sitzen kommt einer der Manager vorbei und erkundigt sich, wie es uns gefällt. Er
bringt uns sogar ein paar afrikanische Wörter bei. Wir sollen versuchen, diese Worte am nächsten Tag bei den Angestellten vorzubringen. Mal schauen ob wir das schaffen.
Dann geht es ins Bett. Wir fallen todmüde auf die Matratzen.