24.10.2011 – Chengdu

Heute haben wir einen weiteren Tag für die Erkundung der Stadt Chengdu. Wir sind gespannt, was uns so erwartet. Auf dem Programm steht die Besichtigung eines bedeutenden Wasserbauwerks vor den Toren Chengdus. Da Chengdu eine Stadt mit rund 10 Millionen Einwohnern ist, wird die Fahrt dorthin etwa 1 ½ bis 2 Stunden dauern. Hinzu kommt, das heute Montag ist und mit starkem Berufsverkehr und auch Staus zu rechnen ist. Dennoch ist die Abfahrt erst für 8 Uhr 30 angesetzt.

Das Frühstück im Hotel ist ausreichend, heute ist es auch nicht mehr ganz so wuselig und laut, wie noch gestern morgen. Wir hatten von Jilly bei der Ankunft in Chengdu erfahren, dass bis Sonntag Abend eine Messe stattfand. Die scheint heute am Montag vorbei zu sein, denn es ist relativ leer im Speiseraum. Wir wenden uns wieder dem Omelett und Toast zu und genießen somit ein relativ kontinentales Frühstück.

Pünktlich zur Abfahrt des Busses sind wir unten. Auf der gegenüberliegenden Straßenseite beobachten wir, dass sich eine etwa 50 Meter lange Menschenschlange gebildet hat. Jilly erklärt uns, dass die Menschen alle zur Arbeit in dem Bürokomplex wollen und für den Fahrstuhl anstehen. Die neue Generation Chinesen ist relativ faul und würde selbst für 2 Etagen den Fahrstuhl einer Treppe vorziehen.

Während der Bus Chengdu verlässt, können wir noch einmal genau verfolgen, wie sich die Großstadtchinesen im Straßenverkehr verhalten. Verkehrsregeln haben keine große Bedeutung. Es gibt sie zwar, aber deren Einhaltung ist eher Ermessenssache. Selbst die Polizei drückt meist beide Augen zu, wenn bei Rot über einen Zebrastreifen gefahren wird oder man einen verbotenen U-Turn macht.

Die Straßen Chengdus sind voll und wir bemerken, dass man dabei ist, eine U-Bahn zu bauen. Seit Mai 2011 existiert eine Linie, die vom Nordbahnhof bis zum Südbahnhof über ca. 23 km führt.
Jilly philosophiert wieder über das Wohnsystem, besonders über die Extrakosten für Sicherheit, Kindergarten, Sportklub. Man merkt, dass er hier eine sehr starke Meinung hat, auch Yuke trägt einiges dazu bei. Sie zeigen uns während der Fahrt aus der Millionenstadt heraus immer wieder die Neubaugebiete, die oftmals den reichen Spekulanten nur als Geldanlage dienen. Die meisten dieser Häuser stehen leer. An vielen Stellen in der Stadt wird mit dem Abriss alter Häuser begonnen. Yuke meint scherzhaft, dass hier nächste Woche bereits ein Wolkenkratzer stehen wird.

Immer wieder kommt bei unseren beiden Reiseleitern heraus, dass sie schon einiges am chinesischen System auszusetzen haben. Sie berichten, dass auf Kinder oft aus Kostengründen verzichtet wird, weil alle anderen Gebühren für Wohnung und Auto und Leben alles Einkommen verzehren. Immer wieder hört man den Begriff Schurkenstaat aus dem Mund der beiden Reiseleiter.

Man kann es kaum glauben, aber selbst die Familien, die sich Kinder leisten können, müssen noch eine Menge Geld für Schulgebühren aufbringen. Die Gebühren fließen aber nicht an den Staat, sondern an die Schulen und oftmals direkt in die Taschen der Schuldirektoren. Diese leisten sich dann dicke Autos, Konkubinenschleudern, und mehrmals im Jahr teure Reisen, während die Familien oft nicht mehr wissen, womit sie ihre Kinder ernähren und einkleiden sollen. Pro Kind wird eine Summe zwischen 50.000 und 100.000 Yuan (umgerechnet rund EUR 6.000,- bis 12.000,-) fällig.

Doch wir bekommen auch eine kleine Einführung in die chinesische Hauptphilosophie, den Taoismus. Wir können spüren, das Yuke hierin aufzugehen scheint. Wenn er vom Taoismus spricht, dann kann man das Feuer in seinen Augen fast sehen, dann ist sein ganzer Körper in Aufregung. Neben einer kurzen geschichtlichen Einführung berichtet er uns von den Tierkreiszeichen des Taoismus und den Ihnen zugeschriebenen Charaktereigenschaften. Das ist eine sehr lustige und kurzweilige Angelegenheit und alle erfahren etwas über die eigenen angeblichen Charaktermerkmale.

Schließlich haben wir Dujiangyan erreicht, eine der Vorstädte Chengdus. Hier befindet sich das Bewässerungssystem, welches bei den Chinesen einen ebenso hohen Stellenwert hat, wie die große Mauer. Seit dem Jahr 2000 ist das System Weltkulturerbe. Leider wurde die Anlage vor einigen Jahren beim großen Erdbeben fast vollständig zerstört. Inzwischen sind aber die meisten Gebäude fast komplett wieder hergestellt worden.

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Als wir ankommen ist es etwa 10 Uhr 30. Der Bus hält vor einem der Eingänge, die wie uralte chinesische Stadttore aussehen, das Material aus Holz und die Dachspitzen geschwungen und mit kleinen Schutzgöttern versehen. Hier werden erst einmal Fotos geschossen, ehe Jilly uns zum eigentlichen Eingang drängt.

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Zunächst gehen wir durch ein Areal, das eher an einen Park erinnert. Wir sehen viele alte, sehr schöne chinesische Häuser, die an Tempel erinnern. Sie sind kunstvoll verziert und fast überall stehen davor Wannen gefüllt mit Wachs und Räucherstäbchen, deren Rauch in die Luft emporsteigt. Leider bekommen wir auf dem Rundgang nicht alles mit, was Jilly über die Anlage erzählt, denn er zieht es heute vor, Einzelgespräche zu führen und sein Wissen selektiv zu verteilen. Als ich ihn darauf anspreche, signalisiert er zwar Verständnis und gelobt Besserung, doch fortan scheint er nur noch bemüht zu sein, mir Erklärungen zu liefern und lässt die anderen außer Acht.
Immerhin erfahren wir, dass die Anlage im Jahr 256 vor Christus erschaffen wurde und die Aufgabe hatte, ein Bewässerungssystem für die Bauern zu erschaffen, ohne Wasser anstauen zu müssen. Mit der Erschaffung von vielen sich verzweigenden Nebenarmen wird das Wasser über einen sehr großen Bereich auf die Felder verteilt. Es wurde eine künstliche Insel angelegt, die durch mehrere Hängebrücken aus Holz mit dem Festland verbunden ist. Das Prinzip dieses Bewässerungssystems war die Idee zweier Männer, denen auf dem Areal ein Tempel gewidmet wurde. Ihre Idee wurde über Generationen weiter geführt und das Bewässerungssystem immer weiter ausgebaut.

Wir besichtigen die ganze Anlage und sind sehr beeindruckt. Was hier geschaffen wurde, ist einmalig und es wäre schön, wenn es mehrere solcher Bauwerke geben würde.

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Gegen 14 Uhr kehren wir zum Essen ein, ganz in der Nähe des Bewässerungssystems. Wir sind wieder eine Stunde hinter unserem eigentlichen Zeitplan. Aber es war auch nicht zu erwarten, dass wir bei den Mengen an Fotos auch noch pünktlich sind. Dafür ist dieses Land viel zu interessant und die Motive zu exotisch und aufregend.
Nach dem Essen fahren wir wieder nach Chengdu zurück. Das Essen war lecker, nicht zu scharf und in ausreichender Menge. Das Mittagsbier, eigentlich kaum als Bier zu bezeichnen aufgrund seines geringen Alkoholgehalts, hat uns müde gemacht und das trübe Wetter mit den grauen Wolken und der diesigen Luft tut sein übriges. Für ein paar Minuten war die Sonne und ein Stück blauer Himmel herausgekommen, doch das ist bereits Vergangenheit.
Im Bus fällt einer nach dem anderen in einen in einen geruhsamen Schlaf. Erst nach einer guten Stunde Autofahrt werden alle wieder wach. Komischerweise ist der Verkehr in Chengdu zu dieser Zeit, gegen 16 Uhr 30, weniger als am Morgen. Die Feierabend-Rush Hour setzt wohl erst später ein.

Wir erreichen das Hotel und haben nun noch etwas Zeit bis zum Abendessen. Sibylle und ich nutzen die Zeit, um unsere Koffer vorzupacken und das Blog zu vervollständigen.

Bevor es dann um 19 Uhr zum Abendessen geht, besuchen wir noch kurz einen chinesischen Markt ganz in der Nähe des Hotels. Ein paar aus der Gruppe wollten Original Szechuan Pfeffer kaufen. Doch leider entpuppt sich der Markt als ein reiner Fischmarkt. Also gehen wir direkt die paar Meter weiter zum Essen.

Das Abendessen ist wieder sehr lecker. Es ist auch nicht zu scharf und wieder sehr reichhaltig. Das chinesische Essen hier ist nicht mit dem Essen beim Chinesen in Deutschland zu vergleichen. Daheim ist alles an die europäischen Essgewohnheiten angepasst. Hier haben wir die Möglichkeit, die Originalküche zu genießen, und das war bisher meistens sehr lecker.

Nach dem gemütlichen Abend geht es wieder zu Fuß ins Hotel. Auf dem Weg machen wir noch einen Abstecher in den Supermarkt Carefour, eine große Kette, die in China sehr beliebt ist. Unsere Absicht ist eigentlich der Kauf von Gewürzen, doch aufgrund der Vielfalt an Artikeln, der Wärme in dem Einkaufscenter und der Beschallung durch die Lautsprecher werden wir dermaßen abgelenkt, dass wir am Ende mit einer Flasche Wein herauskommen und die Gewürze vergessen haben.

Doch der Wein wird nicht schlecht. Zu viert nutzen Martina, Michi, Sibylle und ich die Gelegenheit und lassen den Abend auf unserem Zimmer im 21. Stock mit der leckeren Flasche Rotwein ausklingen.

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