Unser erster Handgriff nach dem Klingeln des Weckers galt der Gardine um zu sehen, ob der Wasserfall über Nacht verschwunden war. Tatsächlich war an diesem Morgen wenig davon zu sehen. Es regnete und die Berge, in dessen Mitte sich die Gocta Lodge befand, war eingehüllt in eine dichte flauschige Wolkendecke. Der Wasserfall war dahinter verschwunden. Am Himmel sah es sehr grau aus und die Wassertropfen fielen beständig in den Pool. Wie gut, dass wir gestern wandern waren. Heute würden weder Weg noch Laune in bester Verfassung sein. Aber so konnten wir guten Gewissens sagen, dass wir gestern eine sehr schöne Wanderung erlebt hatten. Sie war zwar anstrengend gewesen, aber wirklich schön und von einem perfekten Abschluß gekrönt.
Das Frühstück fand auf der Terrasse unter dem schützenden Vordach statt. Als wir uns dann alle unten versammelten, hatte der Regen auch schon aufgehört und langsam lichtete sich der Nebel und gab wieder den Blick auf den Gocta frei.
Um 8 Uhr 30 fuhren wir ab. Heute ging es nach Moyobamba, nur auf 800 Metern gelegen. Oscar lenkte den Bus wieder sicher hinab ins Tal, über die bereits bekannte Schotterpiste, so dass wir wieder ordentlich durchgeschüttelt wurden und auch mal ein Rucksack aus dem schmalen Gepäckfach herabfiel. Aber es gab keine Verletzten. Kaum hatten wir die Schotterpiste verlassen und waren auf der asphaltierten Straßen, ging es wieder schneller voran, aber nicht unbedingt ruhiger.
Die Talstraße war sehr kurvig, ständig wurde der Kopf von links nach rechts geschaukelt. Manch einer versuchte zu schlummern, doch es gelang nur schwer. Wir kamen durch den kleinen Ort San Pedro Ruiz. Langsam wurde die ganze Gegend tropischer, was wir zuerst an der hohen Luftfeuchtigkeit und der schwülen Wärme im Bus spürten. Draußen wurden dich Berghänge grüner und dichter. Man sah kaum noch freie Flächen auf den Hängen. Nach etwa einer Stunde Fahrt lenkte Oscar den Bus wieder durch noch kurvigere Straßen den Berg hinauf. Es war immer noch sehr wolkig, der Himmel war von einer eingheitlichen grauen Schicht bedeckt, die nur ihre Schattierung etwas varierte. An den Berggipfeln klebten die Wolken und wollten sich nicht auflösen.
Es war sehr still im Bus. Das Klicken der Kameras war schon seit ein paar Tagen nicht mehr so ununterbrochen hörbar. Nur noch vereinzelt wurden während der Fahrt Fotos gemacht. Lag es an der Landschaft oder an der Erschöpfung der Reise? Ich weiß es nicht. Immer mal wieder kamen wir an kleinen Restaurants vorbei, auf den Bergen sahen wir einsame Häuser. Stromleitungen dorthin waren nicht zu sehen.
Der Bus hielt an der Laguna Pomacochas. Bei schönem Wetter wären wir vielleicht etwas fotofreudiger gewesen, heute hielt sich unsere Begeisterung in Grenzen. Es mag aber auch einfach am subtropischen Klima gelegen haben, dass wir so träge wurden.
Wieder zurück im Bus fuhren wir wieder die Berge hinauf bis auf 2200 Meter. Unterwegs sahen wir 2 Mal, dass ein Teil der Straße vom Regen weggespült worden war und nun mit Straßenbauarbeiten begonnen worden war, um dort eine neue Straße zu bauen. Die Strecke wurde immer grüner, wir tauchten immer tiefer in das Amazonasbecken ein und passierten links und rechts der Straße tiefe Wälder und baumhohe Farne. Alles an Pflanzen war in diesem Urwald größer und bunter als bei uns in Deutschland.
Wir kamen durch die Orte Aguas Verdes, Tumbaro und Naranjillo. Allesamt Dörfer mit einfachen Häusern und Hütten, deren Dächer aus Wellblech bestanden. Am frühen Nachmittag erreichten wir den Yacumama Naturpark. Das erste was uns auffiel war die extreme Lautstärke. Laute peruanische Popmusik hämmerte aus den fast 2 Meter hohen Lautsprechern, an denen wir auf dem Weg zum Restaurant vorbeigehen mußten.
Das Dschungelrestaurant war auf Holzpfählen in mehreren versetzten Etagen aufgebaut. Wir fanden für unsere große Gruppe einen Platz weit entfernt von den Lautsprechern, so dass wir uns noch unterhalten konnten. Die Bedienung für unseren Tisch bekam leider den Mund nicht richtig auf, sie machte einen etwas schlecht gelaunten Eindruck. Auf die Frage, was denn hier in der Gegend um Moyobamba zu empfehlen sei, bekamen wir von Willy den Tipp, den Tilapi zu probieren. Sibylle und ich waren etwas skeptisch, weil wir in Deutschland mit Tilapi nicht gerade schlechte, aber doch recht geschmacksneutrale Erfahrungen gemacht hatten. Aber wir waren den landestypischen Gerichten aufgeschlossen und wählten die kleine Portion Tilapi. Was wir dann aber auf dem Teller serviert bekamen, glich eher einer doppelten Portion. Dort lagen zwei Fische auf einem Bett aus Yuka, Zwiebeln und Reis. Wie sollten wir das aufessen?
Mit dem ersten Bissen kam dann aber der Hunger und wir verputzten Stück für Stück des lecker zubereiteten Tilapis. Es war ein sehr leckeres Essen. Nach dem Essen wollten wir zu einer Wanderung im Naturpark aufbrechen, aber wir mußten erst einmal eine weitere Fotosession abwarten. Dieses Mal war Anke im Mittelpunkt. Sie wurde umringt von einer Traube junger peruanischer Mädchen, die wir vorher von unserem Platz aus dabei beobachtet hatten, wie sie vor dem See posierten und sich gegenseitig ablichteten. Plötzlich winkten sie mir zu und wollten, dass auch ich mich dazu stelle. Also ging ich zu der Gruppe und stellte mich dazu. Fotos wurden geschossen und die Mädchen kicherten.
Dann machten wir uns auf den Weg zu einer Tour durch den Park. Unter Willys Führung gingen wir auf dem ausgewiesenen Pfad durch die Anlage und fühlten uns mit jedem Schritt dem Regenwald ein wenig näher. Gewaltige Farne, Lianengewächse und riesige Bäume säumten den Weg.
Blumen, die mit ihren roten Blüten an Strilitzien erinnerten, stachen immer mal wieder aus dem grünen Dickicht hervor. In der Ferne sahen wir auf dem Gipfel eines Baumes zwei kleine grüne Papageien. Sie waren für unsere Kameras aber zu weit weg.
Wir kamen zu einem Badestrand am Schwarzen Fluss, wo eine Frau mit einem abgerichteten Papagei stand, den wir in aller Ruhe fotografieren konnten.
In der Ferne hörten wir es plötzlich donnern und ein Blitz durchzog den Himmel. Wir beeilten uns mit dem Rest des Rundweges und kamen rechtzeitig wieder beim Restaurant an, wo ein Teil der vorausgegangenen Gruppe bereits auf uns wartete.Letztlich waren wir umsonst gelaufen, dann es fing nicht einmal zu regnen an. Es ging weiter zu unserem Hotel, einer weitläufigen Anlage, die ganz den tropischen Gegebenheiten angepasst war.
Die Zimmer bestanden aus kleinen Bungalows auf Stelzen, die durch Wege miteinander verbunden waren. Die Laubengänge zu den meisten einzelnen Bungalows waren überdacht, so dass man vor plötzlich eintretendem subtropischen Regen einigermassen geschützt war. Als wir in unseren Bungalow kamen, mussten wir leider recht schnell feststellen, dass wir Nachbarn hatten. Und zwar sehr laute! Nebenan war der Fernseher in einer Lautstärke an, dass man meinen könnte, er stünde bei uns im Zimmer. Zusätzlich unterhielten sich unsere peruanischen Nachbarn, natürlich noch lauter, denn der Fernseher mußte ja übertönt werden. Wir beeilten uns damit, zu duschen und uns umzuziehen für das Abendessen, um möglichst schnell wieder hier raus zu kommen. Den Lärm konnte man einfach nicht aushalten.
Zum Abendessen hatte man bereits eine große Tafel für uns zusammengestellt, so dass wir alle Platz hatten. Bis auf ein weiteres Pärchen im Hotel-Restaurant waren wir dann auch ganz allein. Die Bestellung des Essens war schwierig, denn aufgrund des mächtigen Mittagessens mit den zwei Portionen Tilapi Fisch waren viele noch recht satt. Sibylle und ich bestellten zufälligerweise beide Causa, weil uns das von der Größe am einfachsten erschien. Leider entsprach das Resultat dann nicht der Causa, wie wir sie in Erinnerung hatten. Auch Dieters selbstgemachte Causa ist um ein vielfaches leckerer als diese. Unsere Causa an diesem Abend bestand leider nur aus einem in Form gebrachten Kartoffelpürree mit ein paar eingelegten Zwiebeln obendrauf. Es gab weder Thunfisch noch Hühnchen oder Garnelen in der Causa. Das Kartoffelpüree schmeckte nicht schlecht, wir hatten unter dem Begriff Causa nur etwas anderes erwartet.
Nach dem Abendessen versammelten wir uns noch zu gemütlichem Beisammensein in einem der Laubgänge zu den Bungalows. Hier standen genügend Sitzgelegenheiten herum, so dass wir Platz hatten. Es gab noch den ein oder anderen Pisco, Cuzcena oder Wasser und wir ließen die vergangenen Tage noch mal Revue passieren. Als wir in unseren Bungalow zurückkehrten, war es mucksmäuschenstill. Von den Nachbarn war nichts zu hören. Willy hatte uns vor dem Abendessen gesagt, dass die Rezeption sich um das Lautstärke-Problem kümmern wollte. Offensichtlich hatte man unseren Nachbarn ein anderes Zimmer gegeben, denn hier waren sie nicht. So hatten wir eine ruhige und erholsame Nacht.